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"Dieses Buch", begann er, "sollte das wichtigste Buch in eurem Leben sein, denn es enthält alles, was notwendig ist, um zu Gott kommen zu können, also alles, was zu unserer Erlösung notwendig ist: Jesus Christus ist der Sohn Gottes, der aus Liebe zu uns Menschen am Kreuz von Golgatha für unser Fehlverhalten gestorben ist und der es uns dadurch ermöglicht hat, mit Gott in Ordnung zu kommen. Dazu müssen wir uns nur bewusst mit Jesus auf den Weg (1) machen. Das ist das Wesen des Evangeliums. Die Bibel unterstützt uns auf diesem Weg, sie ist Nachschlagewerk, Geschichtsbuch, Kompass und Karte, Trostbuch, Betriebsanleitung für das Leben und manchmal ist sie auch Geheimnis. Es war und ist Gottes Wille, dass wir sie besitzen, denn sie ist sein Wort! Sie ist ein wunderbares Buch!
Aber - und das darf nicht vergessen werden - sie ist vor vielen, vielen Jahren geschrieben und somit bedarf sie der Erklärung (Interpretation). Dazu nun wieder brauchen wir Lehrer, Priester, Pastoren, die es verstehen, mithilfe des Heiligen Geistes ihre Worte in unsere Zeit zu übersetzen. Ein Beispiel. Liest bitte mal jemand 1.Tim. 2:3?" Ein Ältester der Gemeinde erhob sich und las diese Worte vor: "Desgleichen, dass die Frauen in zierlichem Kleide mit Scham und Zucht sich schmücken, nicht mit Zöpfen oder Gold oder Perlen oder köstlichem Gewand." -
" Was will uns die Bibel hier sagen? Fundamentalisten behaupten, man müsse das wörtlich verstehen(2) und folgern daraus: Christinnen dürften auf keinen Fall modisch teuer gekleidet sein, Haare zu Zöpfen flechten oder irgendwelchen Schmuck tragen. Jede Frau in der Gemeinde habe diese Anweisung zu beachten, sonst würde sie einmal nicht bei Gott sein.
Ich sehe das ganz anders: Wer in Jesu Spuren wandelt, erlässt keine Gesetze, sondern versteht den tieferen Sinn, der
h i n t e r dieser Aussage steht. Christen und Christinnen sollen sich angemessen und anständig kleiden und nicht zu üppig mit Schmuck behängen. Gott hat nichts gegen Zöpfe, sie spielen ja eh heute gerade keine Rolle mehr.
Hat Gott etwas gegen Schmuck? Sicher nicht, aber wie soll eine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zusammenwachsen, wenn einige ihren Reichtum mit protzigem Schmuck zur Schau tragen, während andere nicht wissen, wie sie durch die Woche kommen sollen? Also für die, die nicht bibelbezogen wörtlich interpretieren, sondern mehr im Geiste Jesu, kommt es darauf an, welche Gedanken, Ursachen oder Motive hinter einem Wort Gottes stehen."
Saron unterbrach seinen Vortrag, denn eine ältere Frau hatte sich zu Wort gemeldet. "Ich habe dir gestern zugehört, als du über das Bibelverständnis der Fundamentalisten gesprochen hast, und habe dich so verstanden, dass man die Bibel nicht allzu wörtlich nehmen sollte. Jetzt sagst du das wieder so ähnlich. Aber in Matth. 5:18 steht doch:" Denn ich sage euch: Wahrlich, bis dass Himmel und Erde vergehe, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis dass es alles geschehe"?
"Richtig, es soll auch nichts vom Gesetz oder vom Worte Gottes weggenommen werden. Die Bibel wird nur anders erklärt und gelebt.", erwiderte Saron freundlich.
























(1) Luthers: Sola fide (allein durch den Glauben) und sola gratia (allein durch die Gnade) müssen stets fest mit sola scriptura (allein durch die Schrift) verbunden bleiben. Glaube und Gnade müssen zur Schrift führen, die uns den Weg mit Gott zu Gott weist. Nur einmal geglaubt und Gnade empfangen, führt oft zu einem kraftlosen Christentum, wie schon Bonhöffer feststellt. Er schuf den Begriff der "billigen Gnade" = Gnade ohne Nachfolge. Zu Glaube und Gnade gehört immer auch eine schriftgemäße Nachfolge (Heiligung). HIER

(2) Zur wörtlichen Bibelinterpretation: HIER, HIER, HIER aber auch: HIER, HIER

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