Aber
vielleicht habe ich mich gestern missverständlich
ausgedrückt, das tut mir leid. Wie ich schon sagte, die
Bibel ist ein ganz wunderbares Buch, von Gott inspiriert und uns
zum Leben geschenkt, warum sollten wir es nicht wörtlich
nehmen? Es kommt nur darauf an, wie wir die Worte verstehen, das
versuchte ich deutlich zu machen. Ich glaube nicht, dass j e d e
Interpretation der Bibel wahr und erlaubt ist. Die Bibel taugt
zum Beispiel wenig als Lehrbuch für Naturwissenschaften,
weil ihre Aufgabe eine andere ist und ihre Wahrheiten einen ganz
anderen Zweck zu erfüllen haben. Lasst mich ein Beispiel
erzählen. Was steht in Matth. 13:31-32? Jemand, der
gerade seine Bibel zur Hand hatte, las vor: "Ein anderes
Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht
einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte;
das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber
gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter
und wird ein Baum, so dass die Vögel unter dem Himmel kommen
und wohnen in seinen Zweigen." - Wenn
ich den Anspruch habe, dass in der Bibel alles in jeder Hinsicht
wörtlich richtig sein muss, dann habe ich jetzt viele
Probleme: das Senfkorn ist nicht das kleinste unter den
Samenkörnern und schon gar nicht das kleinste unter a l l e
n Samenkörnern dieser Welt, wie in Markus 4:31(1) zu lesen
ist, auch zur Zeit Jesu war es das nicht; zweitens wird die
Pflanze selten größer als die meisten Kräuter,
drittens wird aus ihr äußerst selten ein Baum und
viertens können Vögel schwerlich darin wohnen, denn sie
ist in Farbe und Größe unserem Raps sehr ähnlich.
Was hier steht, ist offensichtlich so nicht wörtlich
naturwissenschaftlich wahr und einige mutmaßen im Netz,
dass Jesus keine Ahnung von der Pflanzenwelt seiner Zeit hatte.
Wie sollen wir nun damit umgehen? Es handelt sich, wie die
Bibel deutlich sagt, um ein Gleichnis, das der Erklärung
bedarf und erst dann wird deutlich, was Jesus seinen Jüngern
sagen wollte. Mit dem Samenkorn meint er offenbar das des
schwarzen
Senfs (Brassica nigra); es ist im Mittelmeerraum verbreitet und
etwa 10mal kleiner als die uns bekannten Senfkörner. Auch
das waren sicher nicht die kleinsten Samenkörner der
damaligen Welt und auch aus ihnen wuchs niemals ein Baum, in dem
Vögel wohnten. Das ergibt Spielraum für eine ganz
neue Interpretation dieses Gleichnisses: Es könnte doch
sein, dass Jesus hier nicht meint, dass unser Glaube groß
werden soll und anderen nützen, die dann wie Vögel in
ihm nisten können und Geborgenheit finden. Nein, vielleicht
er will uns sagen, dass der Glaube, das Reich Gottes, auch in
unnatürlicher Weise wachsen und sich aufblähen wird.
Dann wird es vielen Strömungen und ungesunden Entwicklungen
Raum bieten. Jeder Jude, der das hörte, wusste, dass Jesus
mit einer Senfpflanze, die so groß wird, dass sie Vögeln
Unterschlupf gewährt, ein eher ungesundes Monster von Baum
beschreibt, das es so gar nicht gibt.(2) Die Zuhörer
widersprechen Jesus daher nicht. Welche Interpretation des
Gleichnisses ist nun die wahre? Eine gute "wissende"
Interpretation ist notwendig, damit wir Gottes Wort recht
verstehen." "Aber
Saron, es kann doch immer nur e i n e Wahrheit geben!", rief
jemand, der, wie die anderen, sehr intensiv zuhörte.
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