"Den
Satz habe ich schon oft von dir gehört, Saron. Ich denke,
deine mir doch etwas seltsame Meinung zum Thema Erweckung beruht
sicher auf den Erfahrungen, die du in deinem Leben damit gemacht
hast, oder?" "Da hast du recht, lieber Freund. Mir
ist es nicht gegeben eine schwarze Wand als weiß zu
bezeichnen, nur weil jemand es von Herzen wünscht. Und so
konnte ich z.B. auch nie jemanden als geheilt bezeichnen, der
offensichtlich krank war, selbst wenn dieser seine Heilung
bezeugte. Schon als Jugendlicher sah ich deutlich den Unterschied
zwischen Anspruch und Wunschdenken einer Gemeinde und der
Wirklichkeit. Und ich verstand nicht, warum es nicht erwünscht
oder sogar verboten war, zu sagen, was wirklich Sache ist. Das
galt als "Nestbeschmutzung" und als "schlecht über
die Gemeinde reden". Und noch weniger erwünscht war es,
auf die negativen Folgen hinzuweisen, die sich für eine
Gemeinde ergeben, wenn sie stets Dinge schönredet oder
schönprophezeit und große Erwartungen schürt, die
dann aber niemals erfüllt wurden. (1) Ein Beispiel: Als
ich etwa 17 Jahre alt war, begegnete ich in unserer Gemeinde das
erste Mal dem Phänomen einer - wie geweissagt - unmittelbar
bevorstehenden Erweckung. Die Jugendlichen hatten beschlossen,
eine Gebetsnacht abzuhalten, um Gott im Gebet zu danken und zu
bestürmen, endlich Erweckung zu schenken. In den
Jugendstunden vorher war aber oft eine sehr geringe
Gebetsbeteiligung. Und nun eine Gebetsnacht? Zu solchem
Schlafentzug hatte ich keine Lust(2) und so sagte ich meine
Teilnahme ab. Ich blieb also zu Hause und habe gut geschlafen,
obwohl ich dafür nicht nur böse Blicke und
Verständnislosigkeit aufseiten der anderen erntete, sondern
in ihren Augen sicher auch schuldig war, dass Gott die Erweckung
dann doch nicht schickte. Das Leben mit Jesus beinhaltet viele
Tiefen, da muss man nicht noch für zusätzliche
Enttäuschungen sorgen. Ein anderes Beispiel: Ich gehe durch
eine Stadt. Überall hängen Plakate mit Einladungen zu
einer neuen Power-Gemeinde mit Power Predigt und einem Power
Lobpreis. Da ist Erweckung, sagte man mir, da gehen wir alle hin.
Wir: das waren viele Geschwister der umliegenden Gemeinden, denen
die Power in ihren Kirchen zu gering war. In Spitzenzeiten kamen
bis zu 300 Besucher in diese Gemeinde. Doch genau so schnell, wie
sie entstanden war, verblühte sie wieder unter anderem weil
sich Power nicht mehr steigern lässt und jeden Sonntag
höchste Power zu erleben, wird bald auch langweilig und
dann? Was kommt dann in einer erlebnisorientierten Gemeinde? Die
ersten gehen an andere Orte, wo wieder ganz neue Power nach
neuestem amerikanischen Rezept zu bekommen ist und der Rest
bleibt enttäuscht und manchmal auch verbittert zurück.
Einige verlieren gar ihren Glauben. (3) Verstehst du, Bruder, was
ich sagen möchte? Gerade auf charismatische Konferenzen, wo
viel mit dem Geist Gottes argumentiert wird, auf denen Heilung,
Erweckung, Wohlstand usw. versprochen wird, bergen in sich die
große Gefahr der Enttäuschung, bis hin zum
Glaubensabfall, wenn das Versprochene nicht eintrifft. Seit
Jahren bekomme ich ein Bild nicht mehr aus meinem Kopf. Als der
große Heiler den riesigen Platz und die große Bühne
mit seinem Tross von Musikern, Co- und Regionalpastoren verlassen
hatte, kamen von drei Seiten die Rettungswagen der Stadt mit
Blaulicht auf den Platz gerast, um denen zu helfen, die an der
Bühne in ihren Rollstühlen zusammengebrochen waren,
weil Gott sie offenbar vergessen hatte, hatten doch andere gerade
ihre Heilung bezeugt. (3)
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