Sie
fuhr fort: "Ok!
Ich muss gleich wieder zu den anderen gehen, aber ich habe noch
eine letzte Frage. Was du eben geschildert hast, ist doch der
"deus relevatus" der Gott, der sich uns in seiner Liebe
geoffenbart hat, oder? Und was ist mit dem "deus
absconditus?"(1) Saron war sprachlos. Noch nie hatte ihm ein
so junger Mensch in einem Gespräch eine so speziell
theologische Frage gestellt. Er verbarg sein Erstaunen nicht, als
er sich noch einmal an das Mädchen wandte und unverhohlen
fragte: "Woher weißt du denn solche Dinge, du siehst
mich erstaunt, geradezu verblüfft." - "Wir haben
im Leistungskurs Referate über Luther gemacht und ich hatte
dieses Thema!" - "Dann hast du gut gearbeitet und auch
verstanden, was du vortragen solltest. Der in seiner Liebe und in
Jesus geoffenbarte Gott ist der deus relevatus, aber wer mit Gott
lange Zeit geht, kennt auch den deus absconditus, den verborgenen
Gott, der sich all unserem Wissen und unserer Deutung entzieht,
weil er um so vieles größer ist und ganz anders denkt
und fühlt als wir es tun. Wir können ihm auf die Höhen
seines Geistes nicht annäherungsweise folgen. Du wirst
Augenblicke erleben, da dir jede Erklärung für Gottes
Handeln fehlt, in denen du verzweifelt nach ihm suchst und ihn
nicht findest, aber vergiss nicht, auch dann und gerade dann bist
du in seiner Hand geborgen! Seine Liebe zu seinen Kindern reißt
nicht ab. In einem alten besonders bei Beerdigungen gesungenen
Lied heißt es: "Wenn ich auch gleich nichts fühle
von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch
die Nacht!"(2) Das gilt auch für viele andere
Situationen unseres Lebens. Und sind dir manche unverständlich,
denke daran: Gott ist ganz anders als wir, immer ganz
anders!" Sie war aufgestanden und im Begriff, zurück
zu ihren Freunden zu gehen "Leider muss ich jetzt gehen,
aber ganz lieben Dank für das Gespräch, fremder Mann",
sagte sie, "ich sagte doch: man kann immer etwas voneinander
lernen. Ich habe mich gefreut, mal einen Erwachsenen zu finden,
der an Gott glaubt! Ich will das auch und es hat mir Mut gemacht
mit dir zu reden, vielen Dank und mach es gut!" - "Mach
auch du es gut, Gottes Segen für deinen Lebensweg!",
rief Saron der Davoneilenden nach. "Setze um, was du dir
vorgenommen hast, und vergiss nicht: tempus fugit!"(3) Da
blieb das Mädchen noch einmal stehen, lächelte ihn
schelmisch an und rief: "Vita brevis!"(4) Sie winkte
ihm zu, verschwand hinter einem Schilfgürtel und ließ
einen erstaunten Mann zurück, der so viel Klugheit bei einer
Jugendlichen nicht erwartet hatte. Nicht einmal ihren Namen
kenne ich, dachte er und bedankte sich bei Gott für dieses
besondere Gespräch. Gleich machte auch er sich auf, seiner
Frau in den kleinen Ort zu folgen. Da er langsam, in Gedanken
versunken seinen Weg ging, war es schon später Nachmittag,
als er den Ort erreichte. Man hatte ihn gebeten, einer kleinen
Gemeindegruppe etwas zum Thema "Fundamentalismus" zu
sagen. Aber Saron ging zunächst in ein hübsches Cafe am
Wegesrand, um den aufkommenden Hunger mit einem Stück Torte
zu stillen. Später traf er dann seine Weggefährtin in
dem Haus wieder, in das man sie eingeladen hatte.
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