Christlicher
Glaube, das zeigen uns alle Glaubensbekenntnisse der Tradition,
ist aber Glaube an den dreieinigen Gott. Dieser Glaube ist in den
biblischen Schriften bezeugt, die darum als Zeugnisse des
Glaubens Autorität besitzen. Die Autorität der Bibel
ist aber stets eine abgeleitete, niemals eine fundamentale. Sie
besitzt Autorität, weil sie die Selbsterschließung des
dreieinigen Gottes bezeugt."(1) "Saron", wandte
jemand ein, "kannst du das etwas einfacher ausdrücken?"
Saron zögerte eine Weile um nachzudenken, dann fuhr er
fort: "Vereinfacht gesagt: Im ursprünglichen und auch
heute noch verbreiteten Fundamentalismus steht nicht mehr das
Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott im Mittelpunkt des Glaubens,
sondern der Glaube an die Irrtumslosigkeit der Bibel. Es wurde
also eine Vertauschung der Fundamente vollzogen. Überspitzt
gesagt: ein Buch - besser seine Auslegung - ist an die Stelle des
lebendigen Gottes getreten. Das ist ein wichtiges Kennzeichen des
christlichen, islamischen oder von manch anderem
Fundamentalismus. "Der Buchstabe tötet, der Geist
aber macht lebendig." (2. Kor. 3,6),
sagt
Paulus den Korinthern. Das heißt nicht, dass w i r die
Worte der Bibel nach unserem Herzen biegen und beugen können,
heißt aber, dass das Beharren auf buchstäblich
wörtlicher Auslegung schweren Schaden anrichten kann. So
fordert der Fundamentalismus die Irrtumslosigkeit der Bibel ja
nicht nur in Bezug auf die Religion, sondern auch für die
Bereiche Biologie, Geschichte und Geographie, woraus stets ein
heftiger Kampf gegen die Wissenschaften entbrannte. Es ist ja
eben nicht die Schrift allein, die den Fundamentalisten zum
Fundament wurde, sondern meist eine ganz bestimmte
Schriftauffassung oder Interpretation, die es für sie mit
allen Mitteln zu verteidigen gilt. Wer die Auffassung der
Fundamentalisten nicht teilt, ist ein Ungläubiger,
Abtrünniger oder Namenschrist. Wer sie teilt, aber trotzdem
mit anders denkenden Christen zusammenarbeitet, handelt auch
falsch.(2) Fundamentalisten jeglicher Couleur behaupten, nur sie
wüssten, was Gott denkt; sie haben auf alles eine Antwort
aus der Bibel, ansonsten sind Nachfragen nicht erwünscht.
Bibelstellen, die anderes bezeugen als die vorgegebene
Lehrmeinung, werden ignoriert. Zieht jemand die Schriftauffassung
von Fundamentalisten in Zweifel, stößt er meist auf
sehr heftigen Widerstand. Eine Zusammenarbeit mit
Fundamentalisten ist somit weitgehend ausgeschlossen, da sie von
ihnen nicht gewollt ist. Oft fühlen sich solche
Gruppen als Auserwählte, ein kleiner Rest, der wegen seiner
Rechtgläubigkeit gerade noch in den Himmel kommt, während
alle anderen Christen in ihr Verderben laufen." Saron
hielt inne. Einer aus der Menge schüttelte den Kopf: "Aber
Glaube darf Menschen nicht ausgrenzen, darf sich nicht über
andere erheben. Warum richten sie, wo wir doch nicht richten
sollen? Wie steht es mit dem Liebesgebot bei ihnen? Das gilt
sicher, wenn überhaupt, nur den Mitgliedern der eigenen
Gruppe. Wie kann man sich vor einer solchen Denkweise schützen?"
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