"Das
sind viele Fragen", erwiderte Saron und schlug seine Bibel
auf. "Die Antworten finden wir in der Heiligen
Schrift!" "Prüfet
alles und das Gute behaltet", rät
uns zum Beispiel die Bibel im 1. Tess. 5,21. Als Christen dürfen
wir nicht alles übernehmen, was gepredigt wird, wir müssen
uns die Mühe machen, zu prüfen und dann zu dem zu
stehen, was wir erkannt haben, auch wenn es manchmal der
Auffassung der anderen widerspricht. Dazu gehören
Selbstbewusstsein und Mut. Nur kennzeichnen gerade diese
Eigenschaften meist nicht die Fundamentalisten. `Hole nennt sechs
psychische Bedürfnisse, die für sie typisch sind: Das
Bedürfnis nach Sicherheit, Verankerung, Autorität,
Identifikation, Perfektion, Einfachheit. Diese Bedürfnisse
versuchen sie durch eine Orientierung an äußeren
Werten bzw. Idealen oder Werken zu befriedigen. Und je stärker
sie diese Befriedigung in Gefahr sehen, (z.B. durch die Lehre
innerhalb der Gemeinschaft oder sie fürchten, Kritiker und
Satan lauern nur darauf und wollen ihnen alles wegnehmen), desto
heftiger / fanatischer werden sie sie verteidigen.(1) Diese
Schwäche wird oft von machthungrigen (gelegentlich auch
geldgierigen) Leitern ausgenutzt, denn es ist sehr einfach, über
fundamentalistische Menschen Macht zu erlangen, indem man gerade
das predigt, was die Gemeinde an vermeintlichem Fundament hören
will. Solchen Leitern folgen sie blind, weil das ja die Bibel,
wie sie glauben, von ihnen fordert. (2)
"Dann will
ich kein Fundamentalist sein!", warf einer ein, "Denn
das sind ja schreckliche Menschen!" - " Schreckliche
Menschen?", wiederholte Saron, "Nein, das sind sie
wirklich nicht. Vielleicht sind sie einfache, meist aber
liebevolle Menschen, die nur eines wollen, dem Herrn Jesus von
ganzem Herzen dienen. Und sie glauben, ihm mit ihrer strengen
Bibelauslegung eine Freude zu machen und sich in den Himmel zu
bringen, indem sie durch das Festhalten an möglichst vielen
Geboten des AT und NT viel ihrer persönlichen Freiheit und
Lebensfreude opfern. Und so wird von ihnen fast unbemerkt ein
weiteres Fundament vertauscht: an die Stelle der geschenkten
Erlösung durch Jesus tritt das mühevolle Einhalten von
Geboten und Vorschriften, also eine Werkgerechtigkeit, die die
Bibel ja gerade ablehnt "weil wir wissen, dass der Mensch
durch des Gesetzes Werke n i c h t gerecht wird, sondern durch
den Glauben an Jesum Christum, so glauben wir auch an Christum
Jesum, auf dass wir gerecht werden durch den Glauben an Christum
und nicht durch des Gesetzes Werke; denn durch des Gesetzes Werke
wird kein Fleisch gerecht." (Gal 2, 16)
Lasst
mich euch zum besseren Verständnis ein Beispiel erzählen.
In einer vom Fundamentalismus geprägten Familie geschah
Folgendes: Ein Vater warf seine volljährige Tochter aus dem
Haus, da sie sich seiner Meinung nach von Gott abgewandt hatte
und dem Satan diente. Er sagte ihr, er habe in Zukunft nichts
mehr mit ihr zu schaffen, sie sei ab sofort nicht mehr seine
Tochter. Was hatte sie Furchtbares getan? Sie hatte als gläubiges
Mädchen einen - nach Meinung ihres Vaters - "ungläubigen"
Mann liebgewonnen und geheiratet. Das entsprach nicht dem
fundamentalistischen Denken des Vaters. Warum?
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