Aber
der Junge lernte auch, dass der gütige Gott, den er so oft
in sich fühlte, stark in Liebe und Vergebung ist., für
ihn und für seine Gemeinde." Saron hielt inne. Tränen
standen in seinen Augen. Er griff nach einem Glas Wasser und
trank einen Schluck. Im Raum war es ganz still geworden. "War
das deine Geschichte, Saron?", fragte ihn schließlich
jemand. Saron zögerte ein wenig, dann antwortete er mit
fester Stimme: "Ja, das war ein Teil meiner
Lebenswirklichkeit und die vieler anderer Kinder, die in
christlich fundamentalistischen Familien aufgewachsen
sind!" "Dann
hast du deine Eltern sicher verachtet und gehasst, da sie dir das
angetan haben? Wärest du nicht lieber in einer anderen
Familie groß geworden?", fragte eine ältere
Frau. "Nein, ganz und gar nicht!" Saron lächelte
schon wieder. "Vieles, was ich erlebt habe, erlebten Kinder
in anderen Familien ebenso. Z.B. war das Geschlagenwerden nichts
Besonderes in jener Zeit. Auch etliche meiner Mitschüler,
wurden aus erzieherischen Gründen körperlich
gezüchtigt. Auch jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen zu
müssen, hört sich schlimmer an, als es ist. Schließlich
gingen jahrhundertelang Kinder sonntags mit ihren Eltern in die
Kirche. In Bayern tun das etliche heute noch!" Saron
schmunzelte und fuhr dann fort: "Davon
ist noch keiner gestorben. Fundamentalistische Eltern sind sehr
berechenbar, sie handeln stets so, wie sie glauben, dass es ihnen
die Bibel vorschreibt. Es ist sehr gut für Kinder,
berechenbare Eltern zu haben. Denn man weiß schon vorher,
wie sie reagieren werden. Fragte ich sie zum Beispiel, ob ich mit
Freunden in die Disko darf, hätte ich mir das ersparen
können, denn ich wusste schon vorher, sie werden es
ablehnen, denn "du sollst nicht sitzen, wo die Spötter
sitzen" (Psalm 1:1). Somit sind auch alle Gaststättenbesuche
nicht gestattet. Bin ich ihnen ungehorsam, werde ich Ärger
bekommen, denn "Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass
du lange lebest und es dir wohl gehe auf Erden"(1). Diese
wie hunderte andere Verbote sind ja nicht per se schlecht,
sondern sollten auch von allen anderen Christen, die nicht
fundamentalistisch sondern gottbezogen leben, beachtet oder
zumindest geprüft werden. Nein, glaubt nicht, dass alles am
Fundamentalismus schlecht ist, denn um beispielsweise auf das
eben Genannte zurückzukommen, es ist nichts Verwerfliches
daran, wenn Kinder ihren Eltern gehorchen so mancher hat in
Gaststätten FreundInnen kennen gelernt, die ihm nicht
guttaten Und fühlen sich Christen wohl, wenn sie mit
Spöttern des Glaubens zusammensitzen? Nein, wenn man
begriffen hat, warum fundamentalistische (und natürlich auch
andere) Eltern sind, wie sie sind, gibt es zwei Möglichkeiten,
mit ihnen umzugehen, entweder man rebelliert gegen sie - unter
Umständen ein ganzes Leben lang - oder man tut, so gut es
geht, das, was sie von einem verlangen zumindest bis zur eigenen
Volljährigkeit. Dann kann man ganz gut mit ihnen leben,
vorausgesetzt, dass man auf ein Leben "in der Welt"
verzichtet. Ich habe erfahren, dass fundamentalistische Eltern
mehr Angst als andere Christen haben, dass ihre Kinder "verloren
gehen". Aus Liebe zu ihnen fordern sie von ihren Kindern ein
bibeltreues Verhalten ein. Sie m ü s s e n geradezu tun, was
sie tun, um sich selbst und Gott nicht untreu zu werden. Sie
wollen und müssen doch ihre Kinder auf den rechten Weg
bringen, um mit ihnen in der Ewigkeit zusammen leben zu können.
Wer das verstanden hat, kommt ganz gut mit ihnen aus!"
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