Das
machte mir Angst, ich wollte mit ihnen nichts zu tun haben, das
schürte meine Homophobie und ich glaubte ungeprüft
alles, was mir in Büchern, Predigten, Bibel zu ihnen gesagt
wurde. Ich erinnere mich aber auch an Erlebnisse aus meinen
frühen Jahren, die eine andere Richtung meines Denkens
andeuteten. Denn als ich einmal zu einem Gespräch fuhr, in
dem es um Homosexualität gehen sollte, hatte ich vor, alle
"biblischen" Argumente gegen die Homosexualität
vorzutragen und als letztes, stärkstes Argument deren
"Widernatürlichkeit" anzuführen. Dagegen
könne doch keiner argumentieren, dachte ich. Wenig später
auf meiner Fahrt spürte ich eine Warnung in mir: Beteilige
dich nicht an diesem Gespräch, denn sie werden dir
antworten, dass auch das Charisma der Ehelosigkeit, jede
lebenslange Jungfräulichkeit, "widernatürlich"
sei. Sie werden gute Beispiele bringen, also halte deinen Mund.
Ich tat es und bin gut damit gefahren. Erst als Erwachsener
änderte sich meine Meinung grundlegend und damit auch mein
Verhalten Homosexuellen gegenüber schlagartig. Ich lernte
einen 15-jährigen Jungen kennen, der weinend seinen Lehrer
bat, ihm zu helfen. Er habe bis vor kurzem selbst noch Witze über
Schwule gemacht und letztere zutiefst abgelehnt, aber nachdem er
nun einige Male auf Jugendveranstaltungen gewesen sei, habe er
festgestellt, dass er sich sehr zu Jungen hingezogen fühlt,
während ihn Mädchen eher abstoßen.(1) Er wisse
nicht, was er nun machen solle, Sexualverkehr habe er noch nie
gehabt. Durch diesen Jungen wurde für mich aus dem
unverbindlichem"Es" der Homosexualität ein"Du,Ich"
,also eine Person, die ich kannte. Dadurch wurde mein Interesse
geweckt, meine Meinung noch einmal gründlich zu überprüfen.
Ich las den Anfang des Römerbriefes und stellte fest, dass
dort von der willentlichen "Veränderung" der
Sexualität die Rede ist. Das traf ja auf diesen Schüler
gar nicht zu. Um es noch einmal deutlich zu sagen: ich glaube
nicht, dass die Bibel hier falsch ist, sondern nur, dass das, was
dort steht, nicht auf jeden und schon gar nicht auf diesen
homosexuellen Jungen zutrifft. Diese Erkenntnis hat mir sehr bei
der künftigen Beurteilung von Homosexualität
geholfen. Homophobie schwindet sehr schnell, wenn eigene
Kinder oder nahe Verwandte sich als Homosexuelle entpuppen. Wer
in seiner eigenen Familie davon betroffen ist, denkt anders.
Jedenfalls meistens. Einige Jahre später erlebte ich,
dass zum Teil mir vollkommen Fremde zur Seelsorge kamen. Bevor
sie mir den Grund ihres Kommens erläuterten, kannte ich ihn
bereits, sie waren schwul. Irgendwie hatte Gott sie ermutigt,
Kontakt mit mir aufzunehmen. Mein Weg aus der Homophobie war ein
langer, daher lasst uns auch anderen diese Zeit zubilligen. Der
Tag war lang, ich denke, wir sollten jetzt die Augen
schließen." Sie wünschten sich noch eine gute
Nacht, sprachen das gemeinsame Nachtgebet und schon bald
schliefen sie und alle anderen im wärmenden Heu.
|
|