Die
meisten aus der Gruppe erhoben sich und gingen in ihe Zimmer, um
die Sachen zu packen. Die Enttäuschung darüber, dass
Saron nicht mit ihnen kam, war in ihre Gesichter geschrieben.
Einige verabschiedeten sich auch nicht von ihm, als sie gingen.
Nur zwei kamen und setzten sich zu Saron an den Tisch. Nachdem
die anderen das Gasthaus verlassen hatten, sagte einer von ihnen:
"Saron, ich habe gehört, dass du gegen jede Art von
Fundamentalismus bist. Ist es aber nicht auch fundamentalistisch,
wenn du dich auf das Bibelwort in 1.Kor.5 berufst, dass man sich
nur um die gläubigen Christen zu kümmern hat , und
einem die anderen Menschen egal sein können?" Saron
schaute ihn an und antwortete nach einer Weile: "Wenn du es
so verstanden hast, hast du sicher recht. Aber das Wort bedeutet
nicht, dass uns die anderen Menschen egal sind. Wir sollen ihnen
Christus vorleben, sie zu ihm einladen und dürfen sie
natürlich auch warnen. Aber es kommt auf die Art und Weise
an, wie wir das tun. Wenn wir uns vor eine Abtreibungsklinik
stellen und den Frauen in den Weg treten, die dort hingehen
wollen, dann erfüllt das schon fast den Tatbestand der
Nötigung. Viele Abtreibungsgegner in den USA handeln so.
Aber wir brauchen bei uns keine von Christen beschimpften Frauen
und von Abtreibungsgegnern erschossenen Ärzte!(1) Das ist
nicht der Weg, den uns Jesus gewiesen hat. Wir müssen - und
dafür wollen wir Gott dankbar sein - die Menschen nicht
richten, allenfalls unseres Glaubens Genossen. Doch es gibt
auch noch eine andere Seite dieses militanten Fundamentalismus.
Noch schlimmer ist es für Frauen dort, wo diese Christen das
Sagen haben, wo sie die Gesetze machen und die politische Macht
haben, Abtreibungen zu verbieten." "Du meinst, wenn
gläubige Christen an der Regierung sind, ist das schlimm?
Das sollte doch ein liebevolles, wunderbares Land sein, wenn
Gottes Kinder die Macht hätten, Gottes Willen für diese
Welt in die Realität umzusetzen!" "Weit
gefehlt, denn sie meinen ja nur, dass es Gottes Wille ist, den
sie da umsetzen. Ein Beispiel ist El Salvador. Dort leben 47%
Katholiken, die weitestgehend gegen Abtreibung sind und 35 %
Protestanten, fast alle evangelikal und ebenfalls meist radikale
Abtreibungsgegner. Wie geht es dort den Frauen? Der Bericht der
Zeitschrift Geo über dieses Land beginnt so: "Im
Land der traurigen Frauen. Straßengangster überfallen
Teodora, eine Schwangere, treten ihr in den Bauch; sie verliert
ihr Kind. Der Richter verhängt eine harte Strafe: 30 Jahre
Gefängnis - für die Frau, wegen >illegaler
Abtreibung<, wegen heimtückischen Mordes!"(2) Es
folgt ein ausführlicher, gut recherchierter und zutiefst
erschütternder und verstörender Bericht über
dieses Land, in dem jede Fehlgeburt als Abtreibung, als Mord
geahndet wird, selbst von weiblichen Richtern. "Politiker
und Kirchenleute sagen, sie wollen mit dem Gesetz unsere Kinder
schützen" ,empört sich Teodora. "Aber unsere
Kinder sind ohne Schutz, sie wachsen ohne ihre Mütter auf."
Teodoras Sohn wartete 1 Jahr nach der Verhaftung seiner Mutter
wegen >illegaler Abtreibung< vergeblich auf ihre Rücjkkehr,
bis er begriff, sie würde nicht wiederkommen. Es ist einer
der vielen Widersprüche in diesem Land: In El Salvador dreht
sich vieles um die Rechte des Fötus. Nicht um die der
lebenden Kinder. Merkt ihr, fuhr Saron fort, wohin biblischer
Fundamentalismus in letzter Konsequenz führt: Der Mensch
zählt nicht, nur die Einhaltung des vermeintlichen Gebotes.
Der Gott dieser Menschen ist i h r e Bibelauslegung, i h r
Bibelverständnis!"
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