Saron
unterbrach sich und bestellte eine Flasche Mineralwasser, die
anderen taten es ihm gleich und nach einer kleinen Pause fuhr er
fort: "Wie furchtbar, in diesem Land eine Frau zu sein. Wie
schwer haben es viele Frauen mit ungewollten Schwangerschaften.
Auch meine Mutter durchlitt Schreckliches: im Jahr 1949 - viel
Armut, wenig Arbeit und erst beginnender Wiederaufbau - mit 15
Jahren als Flüchtlingskind schwanger zu werden, brachte viel
Leid mit sich. Zwei christliche Elternhäuser hat das in
Verzweiflung gestürzt, sie musste sofort die Schule
verlassen, denn sie war jetzt ein schlechtes Vorbild für
ihre Mitschülerinnen. Auch von und in der Gesellschaft wurde
sie geächtet und hinter ihrem Rücken wurde getuschelt
und getratscht. Meine Tante wurde nicht müde, mir zu
erzählen, dass ich abgetrieben worden wäre, wäre
es nicht schon zu spät gewesen, als die Schwangerschaft
offenbar wurde. Ich hätte Verständnis gehabt, wenn
meine Mutter sich für einen Schwangerschaftsabbruch
entschieden hätte. Ich habe meine Eltern nie nach dem
genauen Wie und Was dieser Zeit gefragt, es hätte sie
belastet und mir nichts gebracht. Natürlich freue ich mich
und danke Gott dafür, am Leben zu sein. Er nimmt die
verletzte Seele in seine Hand und heilt sie. Auch die der Frauen,
die seine Kinder geworden sind und abgetrieben haben, heilt
er.(1) Zurzeit hat der Gesundheitsminister unseres Landes eine
Studie über die psychischen Spätfolgen von Abtreibungen
in Auftrag gegeben. Er wird dafür viel kritisiert.(2) Aus
meiner und der seelsorgerlichen Erfahrung anderer weiß ich,
dass eine Abtreibung betroffenen Frauen viele Probleme bereitet,
auch Selbstvorwürfe und Minderwertigkeitsgefühle bis
hin zu körperlichen Beeinträchtigungen können
auftreten. Aber das sind natürlich meine subjektiven
Erfahrungen. Mit dieser "vergessenen Sünde" werden
wir noch lange zu kämpfen haben." "Warum nennst
du Abtreibung eine vergessene Sünde?", fragte einer der
beiden Zuhörer erstaunt. "Weil sie in der Bibel
schlichtweg vergessen wurde. Sie wird nirgends explizit genannt.
Vielleicht war das ja Gottes Absicht? Jedenfalls haben die
Kirchenmänner nach Paulus das sofort korrigiert und schon
Tertullian (150 - 230) schreibt: "Es ist uns ebenso wenig
erlaubt einen Menschen, der sich vor der Geburt befindet, zu
töten als einen schon geborenen"(3) und "Wir
hingegen dürfen, nachdem uns ein für allemal das Töten
eines Menschen verboten ist, selbst den Embryo im Mutterleib
[...] nicht zerstören. Ein vorweggenommener Mord ist es,
wenn man eine Geburt verhindert; es fällt nicht ins Gewicht,
ob man einem Menschen nach der Geburt das Leben raubt oder es
bereits im werdenden Zustand vernichtet. Ein Mensch ist auch
schon, was erst ein Mensch werden soll - auch jede Frucht ist
schon in ihrem Samen enthalten."(4) Danke ihr Lieben,
dass ihr so aufmerksam zugehört habt. Meine Frau und ich
müssen uns jetzt auf den Weg machen!" "Wartet
noch, Saron, wir bedanken uns ebenfalls ganz herzlich und haben
euch etwas mitgebracht!". Der Mann öffnete seinen
Rucksack und holte zwei kleine Flaschen heraus. "Brombeersaft
aus unserem Garten" ,erklärte er und reichte sie
Saron. "Das ist sehr lieb von euch und wir bedanken uns
bei euch. Er wird uns guttun auf unserer Reise. Gott segne euren
weiteren Lebensweg und vergesst es nicht: Gott ist und handelt
oft ganz anders, als wir denken. Vertraut ihm!" Dann ging
auch er mit seiner Gefährtin aufs Zimmer, um die Sachen zu
packen. Draußen erwartete sie schon der Wald.
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