Lächelnd
legte Saron den Brief zur Seite. Was für ein kluger junger
Mann, dachte er. Wie schön, wenn einer sich nicht so einfach
etwas aufschwatzen lässt und voller Eifer nach der Wahrheit
forscht. Davon bräuchten wir mehr. Er holte sich eine Tasse
Tee, überlegte eine Weile, dann antwortete er ihm.
Lieber
Bruder, Respekt, da hast Du Deinen Feuerbach(1) gründlich
gelesen! Und ich gebe Dir recht. Projektionen sind für viele
Christen und Gotteskinder an der Tagesordnung. Alle Religionen
sind Teil dieses von Feuerbach beschriebenen Models, daher
bewirken sie nichts als Streit, Zank und Rechthaberei. Denk nur
an die Christen mit ihren Kreuzzügen. Was haben sie
Schreckliches angerichtet, weil sie einer Religion folgten und
nicht Jesus Christus. Hätten sie s e i n e Worte befolgt und
nicht die einer Kirche, hätten sie ihren Glauben nicht mit
dem Schwert verteidigt und die Weltgeschichte wäre anders
verlaufen. Somit haben Feuerbach und seine Anhänger recht:
Religion ist zu nichts nütze, als dass der Mensch sich
selbst durch sie überhöht. Aber ich habe versucht
Dir von Gott zu erzählen, der alle Geschöpfe, egal
welcher Religion, erschaffen hat und sie bittet, zu ihm zu
kommen. Und ich habe dir von Jesus berichtet, der das Vorbild der
Kinder Gottes ist und der uns nicht Kriege führen heißt,
um die Ungläubigen zu vernichten,sondern uns Schmach,
Schande und Ausgegrenztsein verspricht.(2) Ja, Feuerbach war
ein kluger Kopf, denn in der Tat projizieren auch Gotteskinder
ihre Wünsche und Vorstellungen, ihre Träume und Ängste
auf Gott. Wenn Feuerbach recht hat, wäre d e r Mensch
vollkommen, der sich wieder die bewusst auf Gott projizierten
Eigenschaften aneignet. Wäre ein solcher Mensch dann in der
Lage, die Welt zu erschaffen? Ist es nicht vielmehr
umgekehrt? Die Bibel sagt uns, Gott hat mit dem Projizieren
begonnen, wenn es heißt: "Gott
schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er
ihn.".
(Mose 1:27) W i r sind i h m ähnlich, nicht er uns. Er
projiziert in uns einen Teil von sich. Und weil die
"Projektionsfläche nicht sauber ist, der "Spiegel
auf dem Grund jeder Seele" wie Coelho meint, schreibt
Paulus: "Jetzt
sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben
Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht
sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde
ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon
kennt."(1.Kor.
13:21) Unsere Vorstellungen von Gott trüben das wahre Bild
Gottes in uns ein. Darum sagte Gott einst: "Du
sollst dir kein Bildnis machen!"(2.Mose
20:4) Heißt also: wir alle, ob gläubig oder ungläubig,
schaffen uns einen Gott nach unseren Vorstellungen, bauen ihn um,
stutzen ihn zurecht, legen ihm unsere Worte in den Mund. Das
führt letztendlich zu enttäuschtem Christsein. Lass
Gott doch sein, wie er ist: allmächtig, herrlich, gewaltig,
barmherzig, aber auch gerecht, manchmal zornig, zurechtweisend,
strafend und denke daran, wenn du sie willst und wählst,
bist du in der Hand dieses einen Gottes für immer geborgen.
Das ist Deine Entscheidung. Liebe Grüße Saron. P.s.
Gott ist immer ganz anders, auch anders als du, ich oder
Feuerbach ihn denken. (3)
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